Warum dein Körper ein wahres Super-Sensorium ist (und was das mit deinem Kind zu tun hat)
Wenn wir über unsere Sinne sprechen, denken die meisten sofort an die klassischen Fünf: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Schon in der Schule lernen wir: Das sind die fünf menschlichen Sinne.
Aber: Das ist längst nicht die ganze Wahrheit!
Denn unser Körper ist viel raffinierter. Er verfügt über eine ganze Reihe weiterer Sinne, die wir im Alltag kaum bewusst wahrnehmen – obwohl sie unser gesamtes Leben prägen. Und besonders bei Kindern spielen diese „unsichtbaren“ Sinne eine zentrale Rolle.
Die verborgenen Sinne: Unsere heimlichen Superkräfte
Stell dir vor, du könntest nicht spüren, wo dein Arm ist, wenn du die Augen schließt. Oder du hättest keine Ahnung, ob du hungrig bist, traurig oder müde. Klingt unvorstellbar, oder?
Doch genau das passiert, wenn wichtige Sinne wie die Propriozeption oder Interozeption nicht richtig entwickelt oder verarbeitet werden.
Hier ist ein Überblick über die „erweiterten Sinne“ und warum sie so wichtig sind:
- Gleichgewichtssinn (vestibulärer Sinn)
Er sitzt im Innenohr und ist verantwortlich für deine Balance und Bewegungskoordination.
Bei Kindern: Er hilft ihnen, still zu sitzen, sich im Raum zu orientieren und Bewegungen gezielt auszuführen von der Rutsche bis zum Schulstuhl.
- Körpersinn (Propriozeption)
Dieser Sinn sagt deinem Gehirn, wo deine Körperteile gerade sind und wie stark sie sich bewegen.
Bei Kindern: Ohne Propriozeption fällt es schwer, die Kraft zu dosieren („Warum haut er immer so fest?“), sich im Raum zu orientieren oder die eigenen Bewegungen zu kontrollieren. Das kann zu motorischer Unruhe, Ungeschicklichkeit oder sogar Rückzugsverhalten führen.
- Innensinn (Interozeption)
Die Interozeption ermöglicht die Wahrnehmung innerer Körperzustände: Hunger, Durst, Harndrang, Herzklopfen, Atmung aber auch Emotionen wie Aufregung oder Stress.
Bei Kindern: Viele Kinder können sich nicht regulieren, weil sie ihre eigenen Körperzustände nicht wahrnehmen. Sie merken nicht rechtzeitig, dass sie aufs Klo müssen, sind hungrig ohne es zu wissen – oder reagieren mit Wut, obwohl sie eigentlich müde oder überfordert sind.
Was passiert, wenn diese Sinne nicht gut funktionieren?
Hier wird es spannend und gleichzeitig sehr alltäglich. Denn viele Verhaltensweisen von Kindern, die als „anstrengend“, „unaufmerksam“ oder sogar „verhaltensauffällig“ gelten, sind in Wahrheit sensorische Herausforderungen.
🔹 Ein Kind, das ständig zappelt oder nicht stillsitzen kann, hat vielleicht ein unausgereiftes Gleichgewichtssystem.
🔹 Ein Kind, das sich häufig stößt oder stürzt, nimmt seinen Körper vielleicht nicht richtig wahr.
🔹 Ein Kind, das scheinbar aus dem Nichts wütend wird, spürt seine inneren Zustände nicht differenziert genug.
Warum diese Sinne in der Kindheit so entscheidend sind
In der frühen Kindheit werden die Weichen gestellt und zwar nicht nur kognitiv, sondern ganz stark über Bewegung, Wahrnehmung und Körpererfahrung.
Die Sinne wie Gleichgewicht, Propriozeption und Interozeption sind die Basis für:
✅ Selbstregulation
✅ Konzentrationsfähigkeit
✅ Emotionssteuerung
✅ Soziale Teilhabe
✅ Sicherheit im eigenen Körper
✅ Fein- und Grobmotorik
✅ Selbstvertrauen
Kinder, deren Sinne in diesen Bereichen gut ausgebildet sind, können sich besser organisieren, besser lernen und besser auf sich selbst achten.
Was hilft? Bewegung, Spiel und gezielte Förderung!
Die gute Nachricht: Diese Sinne lassen sich trainieren!
Und zwar nicht mit Apps oder komplizierten Übungen, sondern mit den Dingen, die Kinder lieben:
✔️ Klettern, Hüpfen, Balancieren
✔️ Toben, Rollen, Schaukeln
✔️ Kneten, Malen, Springen
✔️ Ruhige Atemübungen, Bauchgefühle benennen
✔️ „Wo ist mein Arm?“-Spiele mit verbundenen Augen
All das fördert Körpergefühl, Selbstwahrnehmung und emotionale Regulation. In der Ergotherapie arbeiten wir gezielt mit solchen Reizen immer spielerisch, individuell und mit ganz viel Spaß.
Sinne sind mehr als du denkst und sie machen mehr mit uns, als du glaubst.
Wenn du einem Kind wirklich helfen willst, schenk ihm keine neuen Lernapps sondern neue Körpererfahrungen.
Denn ein Kind, das sich spürt, findet seinen Platz in der Welt.
Es lernt, sich zu regulieren, sich zu konzentrieren und wird stark für das Leben.
Tipp zum Mitnehmen:
Achte im Alltag auf die Sinneserfahrungen deines Kindes. Wann darf es spüren, toben, fühlen, rennen, ruhen?
Und frag dich selbst auch mal: Wie gut spüre ich mich eigentlich selbst?
Lust auf mehr?
Folge mir für weitere Impulse aus der Ergotherapie und lass uns gemeinsam Kinder stark machen.